Sterne knipsen im Harz, oder: Das Display lügt!

Vergangenes Wochenende ging es also wieder einmal in den Harz. Hauptsächlich, um Freunde und Familie zu besuchen, aber wenn man die Kamera schon dabei hat, wird sie natürlich auch genutzt. Und weil unser Homie Kreuzi (kreutzweise.de) als Student der lokalen Uni in seiner lernfreien Zeit genug Ortskenntnisse gewonnen hat, sollte er die Führung zu einer geeigneten Location übernehmen. So brachen wir gegen 1:30 Uhr nach einem hoffnungsvollen Blick gen Himmel auf, um ein geeignetes Plätzchen zu finden. Nach Abwägung der Vor- und Nachteile von Kreutzis Vorschlägen und einer Runde Schnick Schnack Schnuck, entschieden wir uns, einen Ort oberhalb von Torfhaus aufzusuchen. So machten wir uns also nur mit dem nötigsten (Kamera, Stativ, Ultraweitwinkel und Taschenlampe) bepackt, auf in den Wald. Hätte ich geahnt, dass Kreutzis „Park´ hier, wir müssen dann nur noch n Stück durch den Wald“ bedeutet, dass wir uns eine gefühlte Stunde durch knietiefes Wasser und das Harzer Unterholz schlagen müssen, wäre meine Entscheidung wohl zugunsten einer erholsamen Nacht im Hotelbett ausgefallen…   Als jemand, der bei Shootings normalerweise nicht weiter als 10 Schritte vom Auto entfernt arbeitet, wird einem da auch schlagartig klar, warum Menschen Reisestative kaufen. Mein Manfrotto 057, fühlte sich nach ein paar Minuten jedenfalls an, wie ein Klumpen Blei -_-

Oben angekommen waren die Zweifel, ob wir dort je wieder lebend herunter kommen, aber schnell begraben, denn es bot sich ein atemberaubender Sternenhimmel, den man als Stadtmensch selbst ausserhalb von Hamburg nur selten zu sehen bekommt. Also Stativ und Kamera startklar gemacht und die ersten Probebilder geschossen. Da ich, was das Thema Astrofotografie nicht ganz unbeleckt bin, waren die passenden Einstellungen schnell gefunden. Im Grunde geht es nur darum, in so kurzer Zeit wie möglich, soviel Licht wie möglich einzufangen…  Also Blende auf, Iso hoch und Belichtungszeit auf erstmal 40 Sekunden eingestellt! Als grobe Faustformel für die maximalste Belichtungszeit kann man sich merken 500 / Brennweite (Vollformat) bzw 300 / Brennweite (Crop). Bei 16mm Brennweite ergibt das also knapp 30 Sekunden, um möglichst wenig Bewegung einzufangen.

Zum Fokussieren sei allen geneigten Lesern die Lifeview-Funktion (falls vorhanden) ans Herz gelegt. Ich selbst benutze die zum Fotografieren praktisch nie, aber da der AF für den Sternenhimmel keine wirkliche Option ist, blieb mir nichts anderes übrig. An dieser Stelle trat direkt der erste Unterschied zu Kreuzis 5Dmk3, welche mit der alternativen Firmware Magic Lantern ausgerüstet ist, zu Tage: Während sich die Sterne auf seinem Display recht deutlich abzeichneten, gab es auf meinem erstmal nur eines zu sehen: RAUSCHEN! Also habe ich die Displayhelligkeit meiner mk3 mit „Seriensoftware“ bis zum Anschlag hochgedreht um wenigstens ein paar Sterne als Anhaltspunkte mit der Zoom-Funktion zu erkennen.

Da die ersten Bilder schon recht vielversprechend aussahen und ich über die Jahre ein Freund von „weniger ist mehr“ geworden bin, nahm ich direkt ein paar Bilder im 30° Abstand von Süd nach Ost im Hochformat auf, welche später zu einem Panorama verschmelzen sollten. Im Nachhinein hätte ich die Bilder mit der zunehmenden Helligkeit des im Osten hereinbrechenden Tages lieber in umgekehrter Reihenfolge aufgenommen, um die minimalen Helligkeitsunterschiede zwischen den einzelnen Bildern auszugleichen.

Nachdem ich noch ein wenig mit den Steinen als Vordergrund herumexperimentiert hatte, welche von Kreuzi mit Hilfe meiner LED-Lenser und seiner Hand als „Softbox“ aufgehellt wurden, machte Kreuzi noch ein paar Bilder vom herannahenden Sonnenaufgang. Mittlerweile war soviel Feuchtigkeit in der Luft, dass es kaum möglich war, mehr als 30 Sekunden zu belichten, ohne dass die Linsen der Objektive komplett beschlagen waren. Auch ein Grund, sich die im Körper hochkriechende Kälte schön zu reden und gegen 4 Uhr den Rückweg zum Auto anzutreten. Dieser gestaltete sich, wie zu erwarten, aufgrund der Richtungsänderung gen Tal ein wenig einfacher *puhhh*.

 

Wieder in Hamburg angekommen, leerte ich die Speicherkarte aus und importierte die Bilder in Lightroom, um die Ausbeute der letzten Nacht auszuwerten. An dieser Stelle sei gesagt, dass die Rohdaten solcher Experimente meistens nie mit den Erwartungen mithalten können. So war der erste Blick auf die Ergebnisse auch ein wenig ernüchternd und bestätigte einmal mehr die von mir immer wieder zitierte Tatsache:

DAS DISPLAY LÜGT!!!

Im Klartext heisst das,  dass ich nach einem Blick aufs Display vor Ort schon öfter der Meinung war, die Ergebnisse wären okay, welche ich am PC zuhause dann aber recht schnell revidieren musste. Seitdem kontrolliere ich die Bilder, wenn es drauf ankommt, direkt vor Ort mit dem iPad bzw Laptop. Sind diese nicht zur Hand, hilft auch ein Blick aufs Histogramm (wenn man damit etwas anfangen kann).

 

 

Die Bearbeitung des Ausgangsmaterials für das Panorama in Lightroom sah dann etwa so aus:

  • Anpassen des Weissabgleichs
  • Objektivkorrektur
  • Überbelichten aller Bilder um eine Blende
  • Kontrasterhöhung
  • Verlauf von oben nach unten mit Abdunklung der Blau- bzw. Cyantöne
  • Helle und mittlere Lichter anheben (Sterne)

[twentytwenty]

_MG_1620-2

_MG_1620

[/twentytwenty]

 

Der Rest der Bearbeitung erfolgte dann in Photoshop

  • Stitchen des Panoramas (ohne Korrektur der perspektivischen Verzerrung)
  • Sterne + Milchstrasse abwedeln (Lichter + Mitteltöne)
  • Tonwertkorrektur
  • Farbanpassung

Comments on This Post
Sebastian

Nezttes Panorama! Allerdings mochtebich kurz anmerken, dass auch schon 30 Sekunden Belichtungszeit grenzwertig sind. Aus meiner Erfahrung fährt !an !OT 20 oder 25 Sekunden besser. Und die Lichtempfindlichkeit hättest du besser zwischen 1600 und 3200 stellen sollen, denn dann hättest du noch viel mehr Sterne und Details der Milchstraße sichtbar gemacht! Grüße

4. Juni 2014
Bischinger

Moin Sebastian,

Iso bei dem Panorama war 1600. Den „screenshot“ hab ich später gemacht. Ich hab eine Version mit Iso3200… Ist für´s Panorama gefühlt aber zuviel gewesen. Da kommen die vielen Sterne fast rüber wie Bildrauschen.

4. Juni 2014
Thomas

Moin Stefan, Klasse Sache und sauber geschrieben! Bin am Wochenende in der Eifel, mal schaun ob ich da auch sowas ähnliches hinbekomme, wenn es die Umstände zulassen.

4. Juni 2014
Dirk

Hi,
weißt Du noch, wo Du warst? ich würde heute evtl. auch los, weiß aber noch nicht so genau, wohin …
Beste Grüße
Dirk

8. Oktober 2018
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